Mittwoch, 24. März 2010

Interview in der März-Ausgabe der Bäder-Bau

24 | BäderBau 1/2010
PUBLIC | Interview
Ein Interview mit Gestalterin Barbara Nestler
Egal ob es sich in einer Freizeitan-
lage um die Badehallen, die Gast-
ronomie, die Sanitäranlagen, den Kin-
derbereich oder die Sauna handelt
– damit ein Badegast sich wohlfühlen
kann, braucht es neben der Gewähr-
leistung aller Funktionen unter ande-
rem eine gute Akustik, eine stimmige
Farbwahl, bequemes Mobiliar, eine
anspruchsvolle Wandgestaltung, an-
genehme Beleuchtung und eine über-
sichtliche Wegeführung.

BäderBau: Frau Nestler, Sie sind Bühnen-
bildnerin, haben in Hamburg an der Kunst-
hochschule studiert und dann einige Jahre an
verschiedenen deutschen Theatern gearbeitet.
Seit etlichen Jahren arbeiten Sie als Gestal-
terin im Freizeitsektor, unter anderem für das
Freizeitunternehmen Bäderland Hamburg
GmbH. Sind ihre Theatererfahrungen bei
ihrer Tätigkeit als Gestalterin von öffentlichen
Bädern von Nutzen?
Barbara Nestler: Ja, denn letztlich
ist die Aufgabenstellung ähnlich. Ich
habe einen Raum in einer bestimmten
Umgebung – die Bühne. Ich habe eine
Aufgabe vom Bauherren – das Stück.
Und ich habe die Betreiber, das Personal,
die Schwimmmeister, die Masseure etc.
mit ihrem Angebot, das sind sozusagen
unsere Darsteller. Und nicht zu vergessen
natürlich das Publikum, das gut unter-
halten werden möchte. Sprich, die Gäste,
die sich wohlfühlen und Spaß haben
möchten.
BäderBau: Was interessiert Sie inhaltlich an
der Gestaltung von Freizeitanlagen?
BN: Die Herausforderung ist, dass man
es meistens mit einem kleinen Budget,
großen, schallharten Räumen und einem
geringen Bewusstsein für Gestaltungs-
möglichkeiten bei den Betreibern zu
tun hat. Reizvoll ist es, den Raum so zu
inszenieren, dass er einzigartig wird, dass
er technisch funktioniert und sogar noch
marketingwirksam ist.
BäderBau: Wie gehen Sie dabei im
Einzelnen vor?
BN: Das variiert je nach Aufgabenstellung
und Voraussetzung im Bad. Beim Bille-Bad
in Hamburg-Bergedorf z.B. ging es erstmal
nur darum, für die Innengestaltung ein
Konzept zu entwickeln. Ideal war, dass
ich von Anfang an dabei sein durfte und
das Architekturkonzept mit dem von mir
entwickelten innenarchitektonischen
Konzept optimieren und erweitern
konnte. Das Büro Geising und Böker hat
für den Neubau eines Freizeitbades einen
sehr schönen, schiffsähnlichen Bau direkt
an der Bille entwickelt. Da spielte bei der
Innenraumgestaltung natürlich die Nähe
zum Fluss und die Nähe zum Sachsenwald
eine große Rolle.
BäderBau: Was man den Farben und
Oberflächen, die hier gewählt wurden
ansieht.
BN: Ja, genau, hier spielte die Topografie
des Objektes bei den Entscheidungen für
die Wandgestaltung, der Auswahl der
Fliesen, der Möbel, der Beleuchtung eine
große Rolle. Ich mag es, wenn die Innen-
ausstattung mit der Gebäudehülle in eine
„organische“ Beziehung tritt, wenn sich
etwas harmonisch in seine Umgebung
einfügt und auch für den Laien nachvoll-
ziehbar ist.
BäderBau: Das wird vor allem in der Kinder-
welt sehr erlebbar. Hier findet man eine
Miniatur-Flusslandschaft, sehr liebevoll im
Detail gestaltet. Es gibt große Libellen, dicke
keramische Frösche, die Wasser speien, ein
Fischerhäuschen mit einem Wasserrad, ein
Baumhaus und lauter kleine Binnenschiffe.
Räume zum Wohlfühlen
Barbara Nestler ist freiberufliche Gestalterin im Freizeitbereich und arbeitet seit über zehn Jahren
für das Bäderland Hamburg. Die BäderBau-Redaktion sprach mit ihr über Gestaltungsmöglichkeiten
in öffentlichen Bädern.
Selbst im Gastronomiebereich des Festlands in Hamburg taucht das Leitmotiv
„Vorzeitliches“, das sich durch das ganze Bad zieht, an den Wänden auf.
Auch die Schwimmhalle im Festland überzeugt mit einer dezenten
Wandgestaltung, die durch Licht optimal in Szene gesetzt wird.
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BN: Ja, oft sind in den Bädern die
Kinderbereiche allzu dürftig gestaltet,
was ich gar nicht verstehe, weil doch viele
Familien ausschließlich wegen der Kinder
zum Baden gehen. Deshalb wurde dieser
Bereich im Bille-Bad vor zwei Jahren für
knapp 45000 Euro neu gestaltet.
BäderBau: In diesem Bad fällt eine sehr
großzügige, kundenfreundliche Wegefüh-
rung und Beschriftung auf. Gehört dies auch
zum Gestaltungskonzept?
BN: Ja. Oft findet man sich in neuen
Bädern als Neukunde nicht zurecht, da zu
kleine Piktogramme zum Einsatz kommen
und die Wegführung unübersichtlich ist.
BäderBau: Ganz anders wirkt ihre Arbeit
am Kaifu-Bad in Hamburg. Dort haben
Sie mit Elementen der modernen Kunst
gearbeitet.
BN: Beim Kaifu-Bad handelte es sich
um eine Neugestaltung im Zuge einer
notwendigen Sanierung eines alten,
traditionsreichen Bades aus der Jahrhun-
dertwende. Die Halle wurde im zweiten
Barbara Nestler, freiberufliche Gestalte-
rin, hat schon einige Bäder optimiert.
Weltkrieg zerstört, in den 50iger Jahren
wieder aufgebaut. 1999 hat man die
Anlage grundsaniert und erweitert.
Kostbarkeiten wie Kreuzgewölbe und
gusseiserne Säulen, die man in den 60iger
Jahren gerne abgehängt und zugemauert
hatte wurden wieder freigelegt und
neu zur Geltung gebracht. Hier war die
Devise: Die alte Bausubstanz sensibel
hervorzuheben und an einigen Stellen
gestalterisch aufzugreifen.
BäderBau: Das Schachbrettmuster, das
sich durch die gesamte Anlage zieht, ist
sicherlich ein Beispiel hierfür.
BN: Ja, das ist so eine Art Hommage an die
Zeit der Entstehung.
Der zweite Ansatz war der Wunsch
des Bauherrn nach einer warmen und
mediterranen Atmosphäre. „Warm
und mediterran“ wird oft übersetzt mit
Palmen oder Strandkörben als Dekora-
tion, das hat aber sehr wenig mit diesem
norddeutschen Backsteinbau zu tun.
Daraufhin bin ich die gesamte klassische,
Die „Nähe zum Fluss“ spiegelt sich in Farben und Material
in der Saunalandschaft des Hamburger Bille-Bads wider.
Ein echter Hingucker:
Die fröhlichen Nanas im Kinderbereich des Westbads Bremen.
moderne Kunst durchgegangen auf
der Suche nach Künstlern, die sich auf
humorvolle Weise mit dem Thema
Wasser, Schwimmen, Körper in und am
Wasser auseinandergesetzt haben und
bin auf einen Scherenschnitt von Henri
Matisse mit dem Titel Swimmingpool
gestoßen. Das war der Anlass, seine
witzigen, vitalen Figuren zu adaptieren,
sie auseinanderzunehmen und spielerisch
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quer
Foto: Veit S. Müller
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neu zusammenzusetzen, zu verzerren, zu
spiegeln und zu ergänzen.
BäderBau: Sie verbinden gerne das Schöne
mit dem Praktischen. „Design oder nicht
sein“ scheint nicht Ihr Wahlspruch zu sein.
Ein gutes Beispiel dafür ist Ihre Gestaltung
des Westbades in Bremen – ein Regionalbad
aus den 70iger Jahren, das sie mit relativ
einfachen Mittel aufgepeppt haben.
BN: Das Bad wird von zwei Schwimm-
hallen mit dunklen Fliesen – wie sie in den
70iger Jahren modern waren – dominiert
und nur durch karminrote Wandpfeiler
aufgelockert. Der Gesamteindruck war
dunkel, hatte jedoch in seiner strengen
Strukturiertheit etwas Japanisches, was
mich auf die Idee brachte, mit roten
Stoffbahnen und Fahnen den Fliesen
einen Kontrast entgegenzusetzten. Der
Ein Fries von scherenschnittartigen Malereien in der Manier von Henri Matisse
schmückt das Kaifu-Bad in Hamburg.
Das Bille-Bad Hamburg in herbstliches Laub gehüllt.
Kindgerecht: Große Frösche zieren das Plantschbecken
im Bille-Bad Hamburg.
Das Westbad in Bremen zeigt Flagge:
Rote Fahnen sorgen für Farbakzente.
sensible Umgang mit dem Vorhandenen
ist mir immer wichtig. Das Bad zeigt nun
Flagge – nicht mehr und nicht weniger
– die 40jährige Architektur bleibt unange-
tastet – sie wird nur in einem neuen
Zusammenhang präsentiert. Plötzlich
wirken die Fliesen nicht mehr dunkel,
sondern bilden genau den richtigen
Hintergrund für die roten Stoffbahnen.
BäderBau: Im angrenzenden Kinderbe-
reich im Westbad haben Sie bunte, vitale
Nanas auf die Wand gezaubert. Also ein
völlig anderes Gestaltungskonzept. Was
hat Sie zu diesem Entwurf inspiriert?
BN: Die runde Form des dortigen Kinder-
beckens hat mich an die poppigen, vitalen
Nanas von Niki de Saint Phalle erinnert.
Dann habe ich in ihrer Formsprache
Nanas erfunden, die sich an die Farbigkeit
des umgebenden Raumes anpassen und
zudem in Badekleidung erscheinen.
BäderBau: Das Festland in Hamburg-
Altona haben Sie auch mitgestaltet (siehe
Reportage in BäderBau 3/2009 ab S. 8).
Was hat diese Arbeit ausgezeichnet?
BN: Im Festland dreht sich alles um ein
Dinosaurier-Kinderland. Deswegen habe
ich zuerst viele Bilder zu verwandten
Themen wie Erdgeschichte, Platten-
tektonik, vulkanischen Landschaften,
Geysire, vorzeitliche Spuren, fossile
Abdrücke, sedimentäre Schichtungen
usw. gesucht. Ich wollte erreichen,
dass sich dieses Motto nicht nur auf die
Kinderwelt beschränkt, sondern durch alle
Bereiche führt. Daraus folgten dann auch
die Entscheidungen der Fliesenwahl, der
Wandgestaltungen, der verschiedenen
Oberflächenstrukturen, des Mobiliars,
was alles vielleicht im ersten Moment
nicht unbedingt schwimmbadtypisch
anmutet, aber eben diesem speziellen
Thema folgt.
BäderBau: Von diesem stimmigen Gesamt-
konzept des Festlands konnten sich die Leser
von BäderBau public & hotel bereits in der
Ausgabe 3/2009 ab Seite 8 überzeugen.
Ein Bad, das aufgrund seiner spektakulären
Ausstattung im Gedächtnis bleibt und für
viel Spaß bei den Badegästen sorgt.
BäderBau: Vielen Dank für das interessante
Gespräch, Frau Nestler – wir freuen uns
schon auf weitere einzigartige Bäderwelten
aus ihrer Feder.